Wurzeln schlagen

by Constanze Bohg

Vor nicht allzu langer Zeit lief das Lied “no roots” von Alice Merton in einem Laden, in dem ich grad einkaufen war. Ich stand da und mir liefen die Tränen. “Ich habe keine Wurzeln” singt sie da, die Alice. Mich traf das mitten ins Herz. Mitten hinein in einen Kampf, der seit einiger Zeit in mir tobte. Wir stehen kurz vor dem fünften Jahrestags unseres Umzugs ins Schwabenländle. Ich schreibe diesen Text, um innezuhalten. Und lade dich ein, mich auf einer Reise zu begleiten, an deren Ende eine tiefe Zufriedenheit auf mich wartete.

Weit weg von „daheim“

Als wir am 1.7.2015 in Stuttgart landeten, waren wir uns einig und sicher, dass wir hier im Ländle endlich das lang ersehnte “ankommen” und “Wurzeln schlagen” finden würden. Allen Widrigkeiten des Wohnungsmarktes zum Trotz hatten wir eine schnuckelige Mietwohnung mit Garten gefunden. Und Gott hatte als Schmankerl sogar noch einen schönen großen Kamin mit draufgepackt . Den hyggeligen Winterabenden mit heißem Kakao und Kuscheln stand also nichts entgegen.

Trotzdem packte mich nach wenigen Wochen des Landlebens eine seltsame Unruhe und Rastlosigkeit, gepaart mit immer größer werdender Unzufriedenheit und Anspannung. Ich ertappte mich dabei, wie ich im Kellerraum vor unseren Koffern und grad verstauten Umzugskartons stand. Ich fühlte mich hier weder willkommen noch “daheim”. Inzwischen hatte ich unzählige Male versucht, Kontakte zu knüpfen, denn so war ich es gewohnt. Ich bin im Leben schon recht viel umgezogen, national wie international, und zwar, weil ich das voll mag. Neue Leute, neue Kulturen, neue Herausforderungen. Bisher hatte ich es an jedem Ort binnen kurzer Zeit geschafft, mich einzuleben und anzukommen. 

Dieses Mal klappte das nicht. So langsam dämmerte es mir, dass es wohl ein grandioser Fehler war, von der am dichtesten besiedelten Metropole Europas in ein kleines Dorf mit 2000 Einwohnern zu ziehen. Mir kamen die Kommentare und verdutzten Gesichter unserer Berliner Freunde wieder in den Sinn. Als wir denen von unseren Plänen erzählt hatten, starrten einige uns ungläubig an, andere lachten nur. Wie konnte man denn von Berlin weg ziehen wollen? Da wollen doch alle hin!

Klagelied

Vier lange Jahre später, Anfang 2019, war ich schier am verzweifeln und schrie zu Gott in meiner Herzensnot. Ich war so einsam, fühlte mich verlassen und ausgegrenzt. Ich bereute den Umzug und war heimlich sogar am schauen, wie ein Umzug zurück machbar wäre. Mann und Kindern ging es gut hier. Bei mir war es das Gegenteil. 

Während ich da saß und mein Klagelied gen Himmel rief, antwortete mir mein Schöpfer auf eine sehr kreative und herausfordernde Art und Weise. Ich lief eines Morgens durch den Drogeriemarkt und kam an der “Deko-Ecke” vorbei. Etwas in mir ließ mich anhalten, um zu schauen, was angeboten wurde. Da lag er, ein dekorativer Stein mit den vier Buchstaben H O M E (= zu Hause).

Mein H O M E Stein auf dem Küchenfensterbrett

Gott sprach unmissverständlich: “Kauf den Stein und nimm ihn mit in Eure Wohnung.” In mir drin regte sich sofort Widerstand. Puh, ich stritt innerlich tatsächlich mit Gott! Im Leben nicht würde ich diese “Botschaft” mitnehmen in die Wohnung. Aber Gottes freundliche und bestimmte Anweisung blieb bestehen: mitnehmen und daheim in der Küche aufs Fensterbrett legen. Na klar, genau dahin, wo ich x Mal am Tag hinschauen würde! Und das Ende vom Lied? Ich kam mit dem Stein nach Hause und platzierte ihn gut sichtbar auf dem Fensterbrett in der Küche. Mit Tränen in den Augen und Zähneknirschen. Einen Moment später schluchzte ich und dann saß ich heulend auf dem Boden.

Anders als gedacht

Wenn ich heute an diesen Tag zurückdenke, kommen mir zwei Worte in den Sinn: Loslassen und Kapitulation.

Seit 2015 war so vieles so anders gekommen als gedacht, erhofft und geplant. Inzwischen waren vier Jahre vergangen, und wir saßen hier immer noch fest. Wir fühlten uns nicht willkommen, schon gar nicht angekommen. Nicht wenige von den Dorfbewohnern hatten uns das auch deutlich spüren lassen. Es gibt im schwäbischen sogar ein Wort für “solche wie uns”: Neigschmeckte. 

Demut

Dennoch bewirkte dieser scheinbar so unscheinbare Deko-Stein etwas tief in mir drin. Rund um mich herum hatte sich nichts geändert. Aber in diesem Loslassen meiner eigenen Wünsche und Pläne wurde etwas freigesetzt. Auch wenn die Worte altbacken klingen im deutschen: Gehorsam und Unterordnung meinem Gott gegenüber waren die Schlüssel zum “Glück”. Friede kehrte ein, tiefer Friede im Herzen. Als ich aufhörte, gegen Gottes Willen anzukämpfen, schenkte er mir seine Gnade. 

Beugt euch also unter die starke Hand Gottes; dann wird er euch erhöhen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

1. Petrus 5/6 (NGÜ)

Seit dem Frühjahr 2019 spüre ich Gottes Wirken noch mehr und intensiver. Stell dir vor, ein großer Wasserschlauch hatte einen Knoten und der ist jetzt raus – das Wasser kann also ungehindert und volle Pulle fließen. So fühlt sich mein Leben an. Überfluss, tiefer Frieden und Freude.

Werden wir hier alt werden? Wir wissen es nicht.

Gibt es Tage, an denen ich gern ganz woanders wäre? Vielleicht.

Bin ich zufrieden und im Reinen mit mir und Gott? Absolut! Endlich.

Jeden Tag aufs Neue gebe ich Acht, Gott für irgendein kleines oder großes Detail zu danken, das im Zusammenhang mit unserem Wohnort steht. Ich spreche es laut aus und rede mit den Kindern darüber. Mir ist es so wichtig, dass das Thema Dankbarkeit nicht nur eine Floskel ist in unserem Haus, sondern dass es gelebt wird.

Herausforderung angenommen!

Ich hab eine Frage an dich, die dich herausfordern könnte: Bist du im Reinen mit Gott und dir und hast tiefen Frieden? Wenn die Antwort JA lautet, dann ist das echt stark – halte daran fest.

Wenn die Antwort aber NEIN lautet, dann lade ich dich ein, die Worte Davids auszusprechen, die eine immense Tragweite haben:

Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken! Und wenn ich in Gefahr bin, mich von dir zu entfernen, dann bring mich zurück auf den Weg zu dir!

Psalm 139/23+24 (Gute Nachricht)

Der Fairness halber noch eine Anmerkung: Wenn du diese Verse ehrlichen Herzens zu Gott sprichst, dann nimmt er dich beim Wort. Das klingt grad wie im Beipackzettel: “Zu Risiken und Nebenwirkungen …”. Die Nebenwirkungen von Psalm 139 können lebensverändernd sein. Tiefgreifend und nachhaltig. Ist das nicht spannend?

Gute Gedanken

Ich schreibe das mit einem breiten Grinsen, denn ich weiß, wie sich das anfühlt. Raus aus dem Boot der vermeintlichen Sicherheit und Kontrolle. Ab aufs Wasser, oder? Gott ist Gott, wir sind seine Geschöpfe. Er hat alles in Seiner Hand. Seine Gedanken über deinem Leben sind so gut!

Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.

Jeremia 29/11 (Luther)

Klingt zu gut, um wahr zu sein? Ist es aber nicht. Es ist die Wahrheit. Und es ist Gottes Wort, das die Kraft hat, dein Leben zu verändern und Frieden zu schenken.

Nur Mut!

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