Warum ist Gott in der Küche?

by Constanze Bohg

Gedanken zur Entstehung dieses Blogs

Damit nachvollziehbar wird, worüber ich schreiben werde, muss ich Euch mitnehmen in meine früheren Jahre. Ich habe BLW studiert und begann nach der Uni, voller Tatendrang und Karrierewunsch, für einen grossen Zulieferer der Automobilindustrie zu arbeiten. Mein Wunsch wurde schnell Realität. Denn binnen kurzer Zeit wurde ich als Abteilungsleiterin in die USA entsendet, um dort den Automotive-Einkauf umzustrukturieren und auf Vordermann zu bringen. Auch das gelang, mithilfe unzähliger Überstunden und auf Kosten von Ehe und Gesundheit. Mein Glauben an Gott war immer mit im Boot. Doch rückblickend lebte ich mein Leben so wie ich es gut fand. Auch meine Ziele waren eher irdisch und materiell ausgerichtet.

Nichts geht mehr

Dann kam 2010 der Burnout. Auf einer Dienstreise in Alabama ging plötzlich innert weniger Stunden nichts mehr. Mein Körper fuhr sich herunter wie ein Computer. Es folgten viele bange Tage, in denen ich nicht wusste, ob ich jemals wieder lachen werde. Ich sass weinend vor einer weissen Wand und starrte ins Leere. Existenzangst, Überlebensangst. Panikattacken. Herzrasen. Das volle Programm.

Photo by Anita Austvika on Unsplash
Photo by Anita Austvika on Unsplash

Mein mühsam und unter Einsatz aller meiner Ressourcen über Jahre aufgebautes Leben mit sechsstelligem Jahresgehalt, schickem Auto, teuren Klamotten und grossem Haus war über Nacht so bedeutungslos geworden. Mein Mann wusste nicht mehr ein noch aus. Er hielt mich stundenlang in seinen Armen, während ich hyperventilierte und immer hoffnungsloser wurde.

Erst eine dreimonatige Therapie begann, mir die Augen zu öffnen. In dieser Zeit fühlte ich mich wie im freien Fall. Schliesslich wusste ich nicht sicher, ob mich jemand auffangen würde. Ich wusste nur eines – wenn, dann musste das Gottes Hand sein. Menschen würden mir nicht helfen können, diese riesige Leere im Herzen zu füllen.

Einsame Wochen und Monate

Da ich die Therapie in Deutschland machte, war ich physisch von meinem Mann getrennt und verbrachte viele Stunden allein, auf den Feldern beim joggen und spazieren gehen. Ich schrie manchmal wie der Psalmist in meiner Not zu Gott. Es kam keine Antwort. Oft lag ich nachts wach, immer noch voller Angst und Leere. Ich schrieb einer Freundin in den USA eine Nachricht: “Cindy, ich weiss nicht, was ich beten soll. Was soll ich Gott denn sagen?” Sie gab mir den weisen Rat, authentisch und echt zu sein vor meinem Schöpfer. Das sah dann in einer dieser Nächte im Juli 2010 so aus, dass ich Gott heulend auf den Knien vor dem Bett mein Herz ausschüttete, und immer wieder diesen Satz aussprach: “Hier bin ich, Gott. Ich weiss nicht weiter.”

Zurück auf Null

Dieser eine Satz hatte durchschlagende Wirkung auf mein ganzes Leben. Ich hatte in den Jahren zuvor immer diese innere Suche nach “mehr” gespürt. Allerdings wusste ich auch, dass mein Leben nicht ganz Gott gehörte. Aber ich hatte einfach Angst davor, was passieren würde, wenn ich nicht mehr die Kontrolle hätte. Was würde passieren, wenn ich Gott den Platz auf der Fahrerseite frei machen würde?

„Die Stunde unseres Scheiterns ist die Stunde der unerhörten Nähe Gottes und gerade nicht der Ferne.“

Dietrich Bonhoeffer

In dieser besagten Nacht aber fühlte es sich so richtig an, meine Herzenstüre weit aufzumachen. Ich wollte nicht mehr mein Leben leben. Ich legte Gott mein Leben hin. Und zwar vollständig. Endlich war ich bereit für ein Abenteuer. Ich wusste eines: Zurück in mein altes Leben wollte ich nicht mehr. Die Therapie hatte inzwischen erste Früchte gezeigt und ich hatte begonnen, meine Vergangenheit aufzuarbeiten. Ich wollte diesen “reset” Knopf drücken. Vor allem wollte ich nochmal von vorne beginnen.

Gott reichte mir seine Hand in dieser Nacht. Er war die ganze Zeit da gewesen. Das weiss ich rückblickend. Aber ich glaube auch, dass er oft liebevoll neben mir sass, während ich einen Ringkampf mit mir selbst führte. Zwar hatte ich bis dahin von Menschen gelesen, die mit völliger Hingabe und Mut zum Risiko ein authentisches Leben mit Gott lebten. Nun aber war ich selbst diejenige, die ein grosses JA im Herzen hatte für so ein Leben. 

Neuanfang

Und dann schlug Gott eine neue frische weisse Seite auf in meinem Lebensbuch und das Abenteuer begann.

„Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt.“

Albert Einstein

Im Herbst 2010 hatte ich meine Kündigung eingereicht. Damit stiess ich auf grosses Unverständnis bei Freunden, Familie und Kollegen. Sehr wenige Menschen begrüssten meine Entscheidung. Ich aber hatte tiefen Frieden, weil ich wusste, dass ich das richtige getan hatte. Zur gleichen Zeit machten mein Mann und ich uns daran, mithilfe einer liebevollen christlichen Psychologin unsere Ehe zu retten. Uns blieben nur noch wenige Wochen in den USA. Während dieser Zeit wurde uns neu bewusst, dass unser Ja zueinander unverändert war. Trotz aller Wogen und Wellen um uns und in uns.

Am 1.1.2011 flogen wir Händchen haltend unserem nächsten Ziel entgegen: Neuanfang in Berlin.

Was dann folgte, könnt Ihr ausführlich in meinem Buch nachlesen: “Viereinhalb Wochen. Die Geschichte von unserem kleinen Julius.” 

Die Kurzform: Wir kamen in Berlin an, glücklich und voller Spannung auf das, was Gott mit uns vor hatte. Ich wurde schwanger mit dem ersten Wunschkind. Allerdings erfuhren wir in der 14. SSW, dass unser Sohn nicht überlebensfähig war. Nach viereinhalb Wochen hatten mein Mann und ich uns dazu entschieden, Julius nicht abzutreiben sondern auszutragen. Dann folgten weitere 14 Wochen Schwangerschaft, immer zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.

Am 23.8.2011 wurde Julius Felix geboren und nach zwei Stunden in den Armen von meinem Mann und mir starb er.

Julius Felix Bohg

Die Wochen und Monate danach kosteten so viel Kraft. Erneut lief ich weinend über Felder – genau wie ein Jahr zuvor. Dieses Mal aber wusste ich, dass ich ganz fest in Gottes Hand geborgen und geschützt war. Ich wusste, er hat einen guten Plan für mein Leben. Es war und ist das schönste Geschenk meines Burnouts. Zuallererst dieser tiefe Frieden und dann natürlich dieses Wissen, dass mir nichts passieren kann. Dass Gott da ist. Ja, ich habe mein erstes Kind zu Grabe getragen. Nein, ich weiss nicht, warum das passieren musste.

Aber ich lebe jeden Tag nahe am Herzen meines himmlischen Vaters und liebe das Leben.

Gott segnete uns mit einem weiteren Kind. Meine Herzenstochter wurde 2013 geboren. Gesund und munter. Und einige Zeit nach der Geburt fand ich mich wie jede andere Mama auch umgeben von Windeln, Schlafmangel, Still- und Krabbelgruppen. Vor allem aber gefühlt weit weg von dem Leben, was ich erwartet hatte.

Eines Morgens stand ich in unserer Küche, die Tochter schlief, und ich nutzte diese Zeit, um zu beten und zu singen. Ich wollte Gott nahe sein in meinem Alltag. Ich schaute mir auf youtube eine Predigt an und schälte nebenher Kartoffeln. Plötzlich überkam mich diese Einsamkeit, dieses nicht-gesehen-werden, eine tiefe Traurigkeit. Ich wollte doch für Gott die Welt verändern! Meine Fähigkeiten und Talente gewinnbringend einsetzen für das Reich Gottes. Nun stand ich in Berlin-Neukölln in einer Küche und war Hausfrau, Autorin und Mutter. “Nur?” 

Wo war das Abenteuer? Im nächsten Moment sank ich weinend auf die Knie.

Mich ergriff diese riesige Enttäuschung. Ist das alles, Gott? Hast du mich aus meinem alten glorreichen, in der westlichen Welt so erfolgreich angesehenen Leben heraus geholt, damit ich jetzt Windeln wechsle, Küche putze und Wäsche lege? Mein Herz schrie gen Himmel: “Gott, ich will doch etwas bedeutendes tun für dein Reich! Ich dachte, die Welt würde meine Bühne, ich würde Deinen Missionsauftrag ausführen, Deine Liebe und Vergebung predigen und so weiter!” 

Und just in diesem Augenblick war es, als würde Gott neben mir stehen und sagen: “Ich sehe dich, Tochter. Ich sehe dein Herz, deine große Sehnsucht, deine Liebe und Leidenschaft für mich. Du bist jetzt, in diesem Moment, in dieser Jahreszeit deines Lebens, genau an dem Ort, wo ich dich hingestellt habe. Ich bin hier, bei dir, in deiner Küche. Vertraue mir. Leg deine Hand in meine und gehe geduldig Schritt für Schritt mit mir.”

Ja, Gott ist auch in der Küche.

God is in the kitchen.

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2 Kommentare

Mi_lija 1. Dezember 2019 - 15:21

Wow Constanze!
Das berührt mich alles sehr!
Ich lese so gerne von dir!❤

Reply
Constanze - 'God is in the Kitchen' - mamaabba 10. Juni 2020 - 15:55

[…] Warum ist Gott in der Küche? […]

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