Vor nicht allzu langer Zeit lief das Lied “no roots” von Alice Merton in einem Laden, in dem ich grad einkaufen war. Ich stand da und mir liefen die Tränen. “Ich habe keine Wurzeln” singt sie da, die Alice. Mich traf das mitten ins Herz. Mitten hinein in einen Kampf, der seit einiger Zeit in mir tobte. Wir stehen kurz vor dem fünften Jahrestags unseres Umzugs ins Schwabenländle. Ich schreibe diesen Text, um innezuhalten. Und lade dich ein, mich auf einer Reise zu begleiten, an deren Ende eine tiefe Zufriedenheit auf mich wartete.
dankbarkeit
Bisher hatte ich mich innerlich dagegen gesträubt, einen „Corona“ Blogtext zu schreiben. Nachdem ich jetzt eine geschlagene halbe Stunde vor einem leeren (digitalen) Blatt Papier saß, habe ich diesen Vorsatz über den Haufen geworfen. Natürlich hätte ich noch viele andere Themen auf meinem Zettel, über die ich sehr gern schreiben will. Aber keines davon hat sich passend angefühlt.
Am Sonntag Nachmittag entdeckten wir im Keller Wasser. Jede Menge Wasser! Der Warmwasserboiler hatte den Geist aufgegeben. Zweihundert Liter Wasser waren im Laufe eines Tages aus dem alten Ding ausgelaufen. Das bedeutete dann natürlich auch: Kein warmes Wasser mehr für uns! Just an diesem Sonntag war ich abends im Gebetshaus eingeplant als Beter und Mitstreiter. Da sollte man dann vielleicht lieber nicht genervt und missmutig erscheinen, oder?
Ich stand in der Küche und wusste, ich musste eine Entscheidung treffen. Zwei Erwachsene und zwei Kinder ohne warmes Wasser ist nicht so cool. Aber es ist auch keine Katastrophe. Ja, es ist unbequem und erschwert den Alltag, besonders bei den winterlichen Temperaturen. Aber es gibt einen Wasserkocher im Haus.
In dem Moment, in dem mein Mann aus dem Keller hoch rief “Wasser! Hier ist überall Wasser!”, war ich gerade am beten für ein kleines Mädchen. Josie. Sie hat einen schlimmen Herzfehler und kämpft um ihr Leben. Sie braucht dringend ein Wunder. Ganz ehrlich: In diesem Moment fiel es mir sehr leicht mich zu entscheiden. Meine Situation war ein Witz verglichen mit der Tragödie und dem Kampf, den diese Familie kämpft.
So weit, so gut.
Vor gefühlt langer Zeit, damals, im Dezember 2010, stand ich an einem Wendepunkt in meinem Leben. Besser gesagt, mein Mann und ich standen an diesem Wendepunkt. Hinter uns lagen so viele Entscheidungen. Schwierige Entscheidungen. Und tiefgreifend noch dazu.
Letzte Woche fuhren wir über die Weihnachtsfeiertage zu meinen Eltern. Die Kinder spielten das nie enden wollende “Sind wir schon da?” Fragespiel mit uns. Während die graue neblige Dezemberlandschaft an uns vorbeizog, ergriff ich die Hand meines Mannes. “Erinnerst du dich an den Dezember von 2010? Wir saßen damals zwischen Umzugskartons und packten unser amerikanisches Leben ein.”
Mein Mann nickte. Es war viel mehr als nur ein weiterer internationaler Umzug. Für uns war es der Beginn eines neuen Lebens.
Ich muss heute etwas loswerden. Etwas, das mir so sehr am Herzen liegt und nicht oft genug gesagt wird: Mütter sind wichtig. Jede Kleinigkeit, die eine Mutter macht, ist wichtig. Jeden Tag.