Gemeinsam sind wir stark

by Constanze Bohg
group of young people embracing each other at the ocean

Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das heisst: “Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen.” Als ich vor einigen Tagen den Schalter umgelegt habe, um meinen Blog zu starten, fiel mir genau dieses Sprichwort wieder ein.

Warum? Nun, während ich so vor dem Laptop saß, war ich auf der einen Seite überglücklich, dass der Tag endlich gekommen war. Auf der anderen Seite fragte ich mich, wie in aller Welt ich das endlich geschafft hatte nach fünf Jahren. Dann kam mir ein großer Blumenstrauss in den Sinn. Ich will versuchen, es zu erklären.

Schreiben als Therapie

Ich habe schon immer gern geschrieben und ich liebe Sprachen. Wörter auf Papier sind meine Leidenschaft. Ich lese für mein Leben gern und fing recht früh auch mit dem Schreiben von Tagebüchern an. Später am Gymnasium wählte ich dann Deutsch und Englisch als Leistungskurse. Ich liebte es und es machte mir riesigen Spaß. Allerdings entschied ich mich an der Uni dennoch für BWL als Studienfach. Meine Leidenschaft des Schreibens stellte ich hintenan. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich zumindest das Tagebuch schreiben wieder für mich entdeckte. 

Im Grunde genommen habe ich erst 2011 so richtig begriffen, wie sehr mir das Schreiben zur Therapie geworden war. Es war das Jahr, in dem unser Erstgeborener starb. Das Jahr, in dem mein Ghostwriter auf mich zukam mit der Idee eines Buches über unsere Geschichte. Inzwischen kann ich verstehen, was meine damalige Therapeutin gesagt hatte: “Frau Bohg, Sie haben sich für eine der schwierigsten jedoch zugleich intensivsten Formen der Traumaverarbeitung entschieden.” Damals jedoch saß ich da und schüttelte vehement den Kopf. Nein! Ich hatte gar nichts entschieden. Das Buch war im wahrsten Sinne des Wortes zu mir gekommen. Aber das ist ein anderes Thema.

Schreib doch einen Blog!

Nachdem ich das Buch geschrieben hatte, schrieb ich einfach weiter. Nur für mich. Fast jeden Tag. Seite um Seite. Wenn ich Briefe oder Emails an enge Freunde schrieb, bekam ich oft als Antwort: “Mensch, du musst noch ein Buch schreiben. Oder einen Blog. Ich lese deine Zeilen wieder und wieder und sie berühren mich so!”

hand holding pen over a diary and a coffee pot next to it
Photo by Hannah Olinger on Unsplash

Und genau hier kommt das oben genannte Dorf wieder ins Spiel. Dass es diesen Blog gibt, ist nämlich das Resultat einer ganzen Gemeinschaft. Es hat sich für mich angefühlt wie fünf Jahre schwanger sein mit diesem Herzenskind. Deshalb ist dieser Text zum einen eine Danksagung an all diejenigen, die mich ermutigt haben. Die Menschen, die mir geholfen haben und mich darin bestärkten, dass dieses Projekt an den Start geht. Zum anderen will ich mit meiner Geschichte etwas zeigen. Klar kannst du alles alleine stemmen. Manchmal muss man das vielleicht auch. Aber ganz ehrlich: Zusammen geht es leichter!

Mit dem Herz in der Hand …

Während ich also angespannt vor dem Laptop saß und mich ernsthaft fragte, ob ich nun meine Posts bei instagram und meine Emails an Freunde und Bekannte absenden sollte, überkam mich Panik. Was, wenn es jemandem nicht gefällt? Was, wenn es niemand liest? Mein liebster Mann saß neben mir auf dem Sofa, nahm meine Hand und wir beteten. Genau wie schon 2012, bevor mein Buch in die Läden kam.

Zu jener Zeit war es unser Gebet, dass jeder Leser und jede Leserin durch unsere Geschichte gesegnet werden möge. Und jetzt benutzten wir den gleichen Wortlaut. Wir beteten für jeden, der auf den Blog stoßen und die Texte lesen würde. Und dann sprachen wir ganz bewusst noch ein Gebet zum Thema “Angst vor der Meinung anderer” und “anderen gefallen wollen”. Diese zwei scheinbaren Riesen unserer heutigen Zeit sind so was von aufgebläht und unnütz. Schlimmer noch, sie werden so schnell zu einem Gefängnis. Ich entschied mich noch einmal ganz neu und ganz bewusst, dass ich mich davon beim schreiben nicht geißeln und beeinflussen lassen würde. 

“Menschenfurcht und Menschengefälligkeit sind die zwei gefährlichsten Klippen, an denen unser Gewissen am ehesten Schiffbruch erleiden kann, wenn unser Lehrer und Meister nicht am Ruder sitzt.”

Johann Georg Hamann

Trau dich!

Ich war Anfang dieses Jahres bei meiner lieben Herzensfreundin Anja zu Besuch. Sie ist mir wie eine Schwester und einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Wir saßen in ihrer Küche und aus mir purzelten die Worte nur so heraus: “Anja, ich hab so ein Flattern im Bauch. Ich spüre, dass da etwas ganz großes kommt. Aber ich hab’ Angst. Es ist, als säße ich vor einem Knopf und traue mich mich nicht, auf “Start” zu drücken.”

Sie schmunzelte und ihr Blick fiel auf einen kleinen Stein, der aus meinem Stiftemäppchen herausgefallen war. Meine Tochter hatte den hinein gelegt mit den Worten: “Mama, den schenke ich dir, damit du immer an mich denkst.”

Anja nahm den Stein, schrieb etwas auf einen Zettel und legte es vor mich hin. “So, hier ist dein Start-Knopf. Wir beten jetzt und dann drückst du da drauf. „

a paper with the text there's something big ahead and a little decorative stone on it

Ganz ehrlich? Das fühlte sich für mich total komisch an. Aber während wir da so saßen und beteten, wusste ich, ich muss aus dem Angst-Boot raus. Ab aufs Wasser. Ich wollte endlich diese Reise antreten, die vor mir lag. Also sagte ich Amen und drückte den Knopf. Das hört sich jetzt vielleicht schräg an, aber es fühlte sich an wie eine kleine Zeremonie.

Und ich saß auf der Küchenbank mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Mich packte die schiere Freude, auch wenn ich nicht ganz einordnen konnte, was da eben geschehen war. Eines weiß ich rückblickend: Dieses Wochenende war ein Türöffner. Vier Wochen später wurde ich vierzig und dann kam die Geschichte mit dem Klavier.

Lehre mich zu vertrauen!

Seit diesem Wochenende begreife ich mehr und mehr, was Gott da tut. Er beantwortet eines meiner größten Gebete, dass ich seit 2011 habe: “Lehre mich, dir wieder zu vertrauen.”

Er lehrt mich Vertrauen, indem er andere Menschen zu Hilfe nimmt. Und indem er das tut, schlägt er bei mir zwei Fliegen mit einer Klappe. Warum?

Kurz gesagt, ich habe Vertrauensprobleme. Aufgrund diverser Kindheitserfahrungen war ich sehr früh gezwungen, mir geeignete Überlebensstrategien anzueignen. Diese haben gut funktioniert und halfen mir, in der Welt zurecht zu kommen. Aber je älter ich wurde, desto mehr merkte ich, dass grundlegende Dinge bei mir nicht stimmten. Dass ich die alten erlernten Schutzmaßnahmen so nicht mehr benötigte. Heute blicke ich auf zehn Jahre Therapieerfahrung zurück und bin Gott so dankbar! Ich bin noch immer auf der Reise aber ich habe so viel Versöhnung und Heilung erfahren dürfen.

decorative stone with the word trust engraved laying on a yellow fabric

Nur beim Thema Vertrauen, da sah ich nicht wirklich einen Fortschritt. 

In einer meiner Gebetszeiten kurz nach dem Tod meines Sohnes fragte ich Gott: “Was kann ich tun, damit ich jemals wieder vertrauen kann?” Seine Antwort war so schlicht und ergreifend: “Nix. Du kannst da nichts tun. Das einzige ist, dass du deine kleine Hand in meine große legst und weiter mit mir durchs Leben gehst. Der Rest ist meine Sache.”

Eines möchte ich an dieser Stelle anmerken: Ich vertraue meinem Ehemann. Ich vertraue ihm abgrundtief. Aber neben ihm gibt es nur ein oder zwei andere Menschen in meinem Leben, die ich als wirklich engste Vertraute bezeichnen würde. Und die leben leider entweder in einem anderen Bundesland oder sogar in einem anderen Staat. Einfach mal einen Kaffee zusammen trinken gestaltet sich daher schwierig.

Aufgeben gilt nicht

“Es kann finster werden, aber wenn es in einem Tunnel finster wird, wirft man nicht die Fahrkarte weg und versucht, aus dem Zug zu springen; man vertraut dem Zugführer.”

Corrie ten Boom

In den letzten Jahren hat Gott eine Handvoll wunderbarer Menschen in mein Leben gebracht. Das klingt doch toll, oder? Für mich war und ist es aber gleichzeitig auch eine Herausforderung. Erstens bedeutet es, dass ich mich öffnen muss. Zweitens macht mich das dann auch verwundbar und letzten Endes bedeutet es für mich, meine Geschichte wieder und wieder zu erzählen. Das fällt mir sehr schwer. Der Grund dafür liegt schlichtweg in mir drin. Ich bin nicht nur hochsensibel sondern auch introvertiert. Diese Mischung ist ziemlich speziell und macht das Leben in mancherlei Hinsicht besonders. Wenn du darüber mehr lesen magst, leg ich dir den Blog von Verena Sati ans Herz.

Zart besaitet

Auf dieser meiner Reise hin zu mehr Vertrauen habe ich immer wieder Gottes leise Stimme gehört. Es brauchte schon etwas Bestärkung und Ermutigung, damit ich aus meiner Komfortzone raus kam. Manchmal auch einen kleinen Schubser aus dem Nest, sozusagen. Es fällt mir wahnsinnig schwer, Smalltalk zu machen. Oder den ersten Schritt auf andere zuzugehen. Oder einfach zu einer Veranstaltung zu gehen, wo ich keinen kenne. War das für mich anstrengend? Mega! Bin ich auf dieser Reise auch wieder verletzt worden? Ja. Wollte ich zwischendrin auch alles einfach hinschmeißen? Viele Male! Aber ich bin sehr froh, dass ich es nicht getan habe.

Photo by Melissa Askew on Unsplash

Denn die Belohnung, wenn man das so sagen mag, sind neue Freundschaften. Zum Beispiel mit so wunderbaren Frauen wie Miri oder Sonja. Mädels, Ihr fetzt! Diese zwei Freundschaften stehen beispielhaft für Frauen, die mein Leben so bereichert haben. Frauen, die mir zeigen, wie es geht, das Leben miteinander zu teilen. Authentisch. Offen. Ehrlich. Indem ich mein Herz aufgemacht und liebe Menschen hinein gelassen habe, habe ich angefangen wieder zu vertrauen. Und ganz ehrlich: Es fühlt sich richtig gut an!

Zusammen ist anders als alleine

Das bringt mich zurück zu dem wunderschönen Blumenstrauss, den ich eingangs erwähnte. Durch Miri und Sonja traf ich andere feine Menschen. Einer davon ist zum Beispiel die nette junge Frau, die mir mein Logo gestaltet hat. Der andere ist ein junger Mann, der mir die Webseite gebaut hat. Hätte ich es auch alleine und ohne die beiden geschafft? Klar! Hätte es auch nur halb so viel Spaß gemacht und am Ende so gut ausgesehen? Ganz sicher nicht. 

Und somit sind wir wieder bei den zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens habe ich gelernt, Gott und seinen Leuten zu vertrauen. Work in Progress. Und zweitens hat mein liebender himmlischer Vater mir gezeigt, dass es voll ok ist, sich Hilfe zu holen. Dass es kein Zeichen von Schwäche ist, wenn man eben nicht alles alleine wuppt.

Schließen möchte ich mit einem weiteren afrikanischen Zitat, das mich seit einiger Zeit begleitet:

“Wenn Du schnell gehen willst, gehe alleine. Wenn Du weit kommen willst, gehe zusammen mit anderen.”

Afrikanisches Sprichwort

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1 Kommentare

Milija 12. Dezember 2019 - 7:05

Ich lese so gerne von dir❤

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